Beate Klarsfeld zu Besuch an der BBS

Deutsche Nachkriegsgeschichte aus erster Hand!


Voller Stolz dufte die BBS Donnersbergkreis heute Beate Klarsfeld begrüßen, die am Dienstagabend in Kirchheimbolanden die Friedenstaube des Landrats erhält.

Die drei Stufen des beruflichen Gymnasiums hatten die Ehre, den Ausführungen der Preisträgerin zu lauschen.
Beate Klarsfeld berichtete von ihrem politischen Engagement, der berühmten Ohrfeige gegen unseren früheren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, Anschlägen auf ihre Familie, die Kandidatur zur Bundespräsidentin und vielem mehr. 


Wir bedanken uns ganz herzlich bei Beate Klarsfeld, unserem Landrat Rainer Guth sowie unserem Kollegen Ludger Grünewald für die Organisation. Lesen Sie auch den nachfolgenden Bericht von unseren Schülerinnen Fabienne Sonnenfroh und Megki Entiseravili (BGY20).

Besuch von Beate Klarsfeld an der BBS in Eisenberg

verfasst von Fabienne Sonnenfroh

unter der Mitwirkung von Megki Entiserasvili (BGY20)

Am Dienstag, dem 9. November 2021, hatten rund 80 Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, mit Beate Klarsfeld ins Gespräch zu kommen, die an diesem geschichtsträchtigen Tag eigens aus Paris angereist war.

Die 82-Jährige, die in den 60-er Jahren durch die Ohrfeige für den Bundeskanzler Kiesinger und später durch ihr maßgebliches Mitwirken an der Ergreifung der Nazigröße Barbie bekannt wurde, erzählte kurzweilig und ließ auch Nachdenkliches nicht aus. Ihre Botschaft an die Jugendlichen, politische Verantwortung zu übernehmen, brachte sie klar zum Ausdruck.

Ihre Lebensaufgabe

Beate Klarsfeld verbrachte ihr Leben lang damit, Widerstand zu leisten und sich zu engagieren. Zusammen mit ihrem Ehemann machte sie es sich zur Aufgabe, sich gegen den in den 60-er Jahren noch weit verbreiteten Antisemitismus zu wehren und dafür zu sorgen, Täter des Unrecht-Regimes der Nazis zu benennen und ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Mit ihrem Lebenswerk verknüpft sie eine Botschaft an die heutige jüngere Generation.

Konfrontation mit dem Holocaust

1960 lässt Beate Klarsfeld das zerbombte Berlin hinter sich und geht als 21-jähriges Au-Pair-Mädchen nach Paris. Auf dem Weg zur Sprachschule lernt sie in der U-Bahn Station ihren zukünftigen Ehemann Serge Klarsfeld kennen. Der Holocaust-Überlebende erzählt ihr von den nationalsozialistischen Verbrechen, von Auschwitz und der Ermordung seines Vaters. Serges Vater, Arno Klarsfeld, versuchte seine Familie zu schützen, indem er eine Doppelwand in einen Schrank einbaute, hinter dem sich die ganze Familie einschließlich Serge versteckte – Arno Klarsfeld blieb im Haus zurück. Die Gestapo kam in das Haus der jüdischen Familie, Arno Klarsfeld wurde von ihnen festgenommen und verlor in Auschwitz sein Leben. Die junge Deutsche, 1939, hatte damals kaum etwas von den Umtrieben der Nazis mitbekommen, denn dies war ein Thema, über das in den Schulen in Berlin kaum gesprochen wurde, das totgeschwiegen wurde. Somit war es das erste Mal, dass sie mit dem Holocaust, der Judenverfolgung und dem Antisemitismus konfrontiert und in Kontakt kam. 1963 heiratet die Deutsche Serge Klarsfeld. Schon kurz nach der Hochzeit hat Beate Klarsfeld das dringliche Gefühl, sich engagieren zu müssen, weshalb sie noch im selben Jahr in das neu gegründete deutsch-französische Jugendwerk (DFJW) eintritt, um am Aufbau der deutsch-französischen Beziehungen mitzuwirken. Dort arbeitet sie zwei Jahre lang als Sekretärin.

Der Tag der Ohrfeige

Der Moment der Ohrfeige hat sie berühmt gemacht. Es ist der 07.11.1968, CDU Parteitag und Beate Klarsfeld gelangt auf das Podium hinter dem deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Sie ruft die Worte „Nazi, Kiesinger abtreten!“ und verpasst ihm daraufhin eine Ohrfeige. Auch schon vor dieser Tat plante und setzte sie mehrere Aktionen gegen Kiesinger um. Der 1966 gewählte Bundeskanzler ist ein ehemaliges NSDAP-Mitglied und Beate Klarsfeld schockiert darüber, dass das deutsche Volk einen Nazi unterstützt. Zusammen mit ihrem Ehemann sammelt sie Dokumente und verteilt diese, unter anderem an die Parlamentsmitglieder, doch die Menschen bleiben weiterhin desinteressiert und tatenlos, mit dem  Argument, Kiesinger sei schließlich demokratisch gewählt worden. Die Ignoranz der Öffentlichkeit erzürnt Klarsfeld schließlich so sehr, dass sie zu diesem drastischen Mittel greift, um ein Zeichen zu setzen.

Misslungene Entführung

Auch nach Kiesingers Abtritt jagt das Ehepaar weiterhin Nazis. Insbesondere die Verantwortlichen für die 76.000 deportierten Juden aus Frankreich wollen Beate und Serge Klarsfeld zur Rechenschaft ziehen. Sie wissen, dass sich der ehemalige Gestapo-Chef und SS-Mann Kurt Lischka in Köln aufhält. Auch gegen ihn planten sie viele Vorhaben, um ihn nicht länger unbestraft zu lassen. Beate und Serge Klarsfeld versuchen Lischka zu entführen und ihn dann mit einem Mietwagen über die deutsch-französische Grenze zu bringen. Dort hätten sie ihn der französischen Justiz übergeben. Trotz guter Planung scheitert der Entführungsversuch daran, dass sich ein zufällig anwesender Bahnpolizist einmischt. Die Klarsfelds und ihre Komplizen flüchten. Kurt Lischka wurde erst Jahre später verurteilt.

Die Kehrseite des Heldentums

Wie Frau Klarsfeld darlegte, handelten sie und ihr Ehemann nicht immer mit legalen Mitteln. Dies warf im Publikum die Frage auf, ab wann  man Gesetze überschreiten darf. Die Rednerin legte ihre Ansicht dar, dass sie in ihrer Sache mit rechtlichen Mitteln selten etwas erreichten konnte, so dass sie und ihre Mitstreiter oft keine andere Wahl hatten, als solche illegalen Aktionen durchzuführen, um erfolgreich zu sein. Damit schließt sie Gewalt ein. Sie ergänzt: „Wir haben nie einen Mord begangen“, ganz im Gegenteil, das Ehepaar habe sein Leben permanent für die Gerechtigkeit aufs Spiel gesetzt. Ihr Alltag bestand aus Anschlägen und Morddrohungen. 1977 explodierte das Auto der Klarsfelds. Außerdem wurde ihnen ein anonymes und gefährliches Paket zugeschickt – der Inhalt: Dynamit. Trotz der vielen Anschläge passierte Beate und Serge Klarsfeld wundersamerweise nichts.

Klaus Barbie gefunden

Der größte Erfolg des Ehepaars war die Enttarnung von Klaus Barbie. Der ehemalige Gestapo-Chef von Lyon war auch unter dem Namen „Schlächter von Lyon“ bekannt, dieser Name resultierte aus seinem brutalen Vorgehen. 1976 deckt Beate Klarsfeld Barbies Aufenthaltsort in Bolivien auf. Nach einem Machtwechsel in dem südamerikanischen Land wurde Barbie an Frankreich ausgeliefert und dort 1987 wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit lebenslänglich verurteilt.

Botschaft an die Jugend – Verantwortung übernehmen

Beate Klarsfeld hat natürlich noch viel mehr erreicht und noch mehr NS-Verbrecher aufgespürt. Wenn sie davon erzählt, redet sie von einer historischen Schuld und Verantwortung, der sie nachgehen musste. Wie sieht sie die Verantwortung oder Schuld dieser Generation gegenüber dem, was in Deutschland passiert ist? Laut ihr trage die heutige Generation keine historische Schuld mehr, aber eine gewisse Verantwortung, die Vergangenheit aufzuarbeiten und offen damit umzugehen, sowie sich mit der aktuellen Politik und neonazistischen Tendenzen in unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Die junge Generation habe die Verantwortung sich politisch zu beteiligen, wählen zu gehen und sich für die Gerechtigkeit einzusetzen. Sie fordert die Jugendlichen auf, die Parteien der Mitte zu unterstützen und nicht die extremen. Demokratie und Freiheit sollen erhalten bleiben, gegen Antisemitismus und Ungerechtigkeit soll vorgegangen werden. Eine historische Schuld tragen wir heute also nicht mehr, denn wir sind nicht verantwortlich für das was im Dritten Reich passiert ist, so sagt Beate Klarsfeld ganz klar:

„Schuldgefühl – nein, Verantwortungsgefühl – ja“.